Was bedeutet Schweißeignung? 2. Teil

Was bedeutet Schweißeignung? 2. Teil

Die Schweißeignung ist ein Stichwort, das im Zusammenhang mit dem Schweißen und der Auswahl von Werkstoffen regelmäßig fällt. In einem zweiteiligen Beitrag erklären wir, was es mit diesem Begriff auf sich hat.

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Dabei ging es im 1. Teil um die Schweißeignung als solches und um die Schweißeignung bei Schmelzschweißverfahren. Jetzt, in Teil 2, beschäftigen wir uns mit der Schweißeignung von Werkstoffen bei Widerstandsschweißverfahren.

 

Was gilt für die Schweißeignung beim Widerstandsschweißen?

Ob ein Werkstoff oder eine Werkstoffkombination für das Widerstandspunktschweißen geeignet ist, hängt von der chemischen und der metallurgischen Zusammensetzung sowie vom Zustand der Oberfläche ab. Alle anderen Einflussfaktoren leiten sich davon ab:

[Schweißeignung]

 

Allgemeines zu den Werkstoffen

Mit Blick auf die Schweißeignung sind vor allem die chemische Zusammensetzung und der metallurgische Zustand, also die physikalischen Materialeigenschaften von besonderer Bedeutung. Ideale Materialeigenschaften für das Widerstandspunktschweißen liegen dann vor, wenn

  • die Schmelztemperatur gleich oder zumindest annähernd gleich,
  • die elektrische Leitfähigkeit gering,
  • die thermische Leitfähigkeit gering und
  • eine hohe Warmverformbarkeit gegeben ist.

Demnach ist Nickel nahezu optimal. In der Schweißpraxis sind solche Verhältnisse aber eher die Ausnahme. Werkstoffe mit einer hohen thermischen und elektrischen Leitfähigkeit lassen sich nur schwer schweißen. Denn die Schweißwärme wird sehr schnell abgeleitet, was zur Folge hat, dass die notwendige Schweißtemperatur nicht erreicht wird.

Bei harten und spröden Werkstoffen ist der Temperaturbereich, in dem sie plastische Eigenschaften aufweisen, gering. Deshalb neigen diese Werkstoffe zur Bruchbildung, während sie geschweißt werden oder abkühlen. Metalle mit einer geringen Verformbarkeit im Bereich der Schweißtemperatur wiederum neigen zu sogenannten Heißrissen während des Abkühlungsprozesses.

Insgesamt lassen sich drei Materialgruppen voneinander unterscheiden:

 

Gruppe 1: Gold, Aluminium, Silber, Kupfer, Messing- und Bronzelegierungen

Diese Materialien haben einen kubisch-flächenzentrierten Gitteraufbau und weisen durch die zahlreichen Versetzungsstrukturen eine hohe Verformbarkeit auf. Durch die vergleichsweise hohe thermische und elektrische Leitfähigkeit ist die Schweißeignung aber eingeschränkt. Metalle der Gruppe 1 verbinden sich im festen Zustand mit Metallen der gleichen und der beiden anderen Gruppen. Im Zugversuch kann sich bei Verbindungen im Bruchbereich ein Schweißpunkt zeigen, der oft fälscherweise als Ergebnis eines Schmelzschweißvorgangs interpretiert wird.

 

Gruppe 2: Nickel, Titan, Platin, X10CrNi18-8 und X2CrNi16-10

Metalle der Gruppe 2 weisen ebenfalls einen kubisch-flächenzentrierten Gitteraufbau auf. Einzige Ausnahme ist Titan, das in einem hexagonalen Gitter aufgebaut ist. Untereinander können Metalle der Gruppe 2 in beliebiger Form gefügt, also durch Schmelze, in festem Zustand und mittels Diffusion verschweißt werden. Mit Metallen der Gruppe 1 erfolgt die Verbindung in festem Zustand.

 

Gruppe 3: Chrom, Eisen, Molybdän, Niob, Tantal, Wolfram und martensitische, nichtrostende Stähle

Materialien dieser Gruppe sind in einem kubisch-raumzentrierten Gitter aufgebaut. Sie sind hart und spröde, haben eine hohe Schmelztemperatur und ihre elektrische Leitfähigkeit liegt im mittleren Bereich. Untereinander und mit Metallen der beiden anderen Gruppen verbinden sich Materialien der Gruppe 3 im festen Zustand.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Übersicht: Metalle und Schweißverfahren, 1. Teil

 

Der Schweißfaktor S

Nach L. Pfeifer lässt sich die Schweißeignung eines Werkstoffs mithilfe des Schweißfaktors S ausdrücken. Dabei fasst der Schweißfaktor S die Schweißeignung für das Widerstandspunktschweißen als quantitativen Wert aus der elektrischen Leitfähigkeit λ, der Wärmeleitfähigkeit χ und der Schmelztemperatur Ts zusammen:

 

S = ( 4,2 * 106) : (λ * χ * Ts)

 

Liegt der Schweißfaktor unter 0,3, weist der Werkstoff eine schlechte Schweißeignung auf. Bei einem Schweißfaktor zwischen 0,3 und 0,8 ist der Werkstoff bedingt schweißgeeignet. Eine gute Schweißeignung ist gegeben, wenn der Schweißfaktor über 0,8 liegt.

Demnach ist beispielsweise Kupfer nicht für das Widerstandschweißen geeignet, weil sein Schweißfaktor nur 0,186 beträgt. Im Unterschied dazu hat Blei einen Schweißfaktor von 76 und eignet sich somit sehr gut für Widerstandsschweißverfahren.

Stahlwerkstoffe

Stahlwerkstoffe unterscheiden sich stark in ihren physikalischen, chemischen und metallurgischen Eigenschaften. Die chemische Zusammensetzung ist ein entscheidender Einflussfaktor für die Gefügeausbildung und wirkt sich damit auf die Festigkeit, die Härte sowie die Linsen- und Rissbildung der Verbindung aus. Als Bewertungskriterium für die Schweißeignung wird das sogenannte Kohlenstoffäquivalent herangezogen.

Je nach Zusammensetzung des Werkstoffs kommt es im thermischen Zyklus des Punktschweißens zu Änderungen bei der Materialfestigkeit, der Verformbarkeit, dem Gefüge und dem Umwandlungsverhalten. Die Legierungszusammensetzung wiederum beeinflusst die thermische und die elektrische Leitfähigkeit der Stähle. Folglich haben Stahlwerkstoffe unterschiedliche Schweißfaktoren S.

Im Hinblick auf die Schweißeignung von Stahlwerkstoffen für Widerstandsschweißverfahren werden vier Gruppen voneinander unterschieden:

 

Gruppe 1: gut geeignet

In dieser Gruppe finden sich unlegierte und unbeschichtete warm- oder kaltgewalzte Bleche und Bänder, mikrolegierte kaltgewalzte Stahlbleche, Dualphasenstähle, TRIP-Stähle und Complexphasenstähle. Beim Schweißen müssen die Parameter Strom, Zeit und Elektrodenkraft auf die Stahleigenschaften abgestimmt werden. Fette und Öle auf der Werkstoffoberfläche verbessern zwar das Ziehverhalten, verschmutzen aber die Elektroden und verringern damit ihre Standzeit.

 

Gruppe 2: geeignet

Dieser Gruppe werden kaltgewalzte Stahlbleche zugeordnet, die zwar vom Grundwerkstoff her sehr gut schweißgeeignet sind, bei denen metallische Oberflächenbeschichtungen die Schweißeignung aber herabsetzen.

 

Gruppe 3: bedingt geeignet

In diese Gruppe gehören Stähle, die durch den höheren Gehalt an Kohlenstoff und Mangan zu Aushärtungen und Versprödungen neigen. Außerdem werden Stahlbleche mit schweißfähigen Lackierungen oder anorganischen Metallbeschichtungen sowie Verbundwerkstoffe aus Stahl und Kunststoff dieser Gruppe zugeordnet.

 

Gruppe 4: nicht geeignet

In diese Gruppe fallen kunststoffbeschichtete und lackierte Bleche, sorbitische Federstähle und Stähle mit emaillierter Oberfläche.

 

Aluminium und Aluminiumlegierungen

Aluminium und Alulegierungen sind wichtige Konstruktionswerkstoffe. Die gute Leitfähigkeit und die hohe Sauerstoffaffinität sind maßgebliche Einflussfaktoren für die Schweißeignung beim Widerstandsschweißen. Je weniger Magnesium, Mangan, Kupfer, Zink oder Silizium eine Aluminiumlegierung enthält, desto mehr verringert sich die Leitfähigkeit.

Daher spielt der Kontaktwiderstand eine wesentliche Rolle. Schon durch Luftsauerstoff bildet sich auf der Oberfläche eine Oxidschicht, die den Kontaktwiderstand und damit auch den Elektrodenverschleiß deutlich erhöht. Aus diesem Grund sollten die Oberflächen von Aluminiumwerkstoffen mechanisch oder chemisch behandelt werden, bevor sie mittels Widerstandsschweißverfahren gefügt werden.

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Rudolf Bozart, - Schweißfachingenieur, Gerd Meinken - Schweißwerkmeister, Thorsten Kamps, Schweißer, Coautor und Buchautor und Christian Gülcan Unternehmer und Betreiber der Webseite, 2 Jahre Vertrieb von Dienstleistungen in Mechanik- und Mettallbearbeitung, schreiben hier alles Wissenswerte zu Schweißtechniken und Schweißverfahren, geben Tipps und Anleitungen zu Berufen, Schweißgeräten, Materialkunde und Weiterbildung.

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