Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 2

Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 2

Das Glühen kann die Materialeigenschaften verändern und die Funktionalität verbessern. Metalle und Legierungen können durch das Verfahren leichter, härter und zäher werden oder einfacher zu verarbeiten sein. Aus diesem Grund wird das Glühen auch oft eingesetzt. In einem ausführlichen Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung schauen wir uns das Verfahren einmal näher an.

Anzeige

Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 2

Dabei haben wir in Teil 1 erklärt, was Glühen genau ist, wie es funktioniert und welche Arten des Glühens voneinander unterschieden werden. Hier ist Teil 2!:

Wie viel Zeit nimmt das Glühen in Anspruch?

Die Dauer der Wärmebehandlung richtet sich nach den Eigenschaften, die das Material bekommen soll. Sie hängt zum einen vom Material selbst und zum anderen von der Glühtemperatur ab.

Unterm Strich kann das Erhitzen deshalb von einer halben Stunde bis zu mehreren Stunden andauern.

Anschließend spielt eine Rolle, wie lange das Material auf der Rekristallisationstemperatur gehalten wird. Je nach Stärke des Materials und Art des Glühens kann auch diese Phase zwischen einer halben Stunde und mehreren Stunden dauern.

In der letzten Phase kühlt das Material schließlich über einige Stunden hinweg langsam ab. Wichtig ist, dass das Material nicht zu schnell abkühlt, weil sonst die Materialeigenschaften verloren gehen könnten. Insgesamt müssen wir für die Glühhärtung also bis zu einem ganzen Tag einplanen.

Welche Vorteile bietet das Glühen?

Das Glühen geht mit einigen wichtigen Pluspunkten einher. Dazu gehört, dass die Wärmebehandlung vorhandene Eigenspannungen entfernt, die durch das Schweißen, beim Gießen oder durch andere Arbeitsschritte entstanden sind.

Wenn solche Restspannungen beseitigt sind, sinkt die Gefahr, dass sich das Material bei Belastung verzieht oder reißt. Außerdem bleibt es vergleichsweise starr.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das Glühen die Duktilität erhöht. Weil das Material weicher wird, ist es biegsamer und lässt sich besser formen. Auch die Zugfestigkeit wird besser. Nach dem Glühen hält das Material erhöhten Zugbelastungen stand.

Vor allem bei tragenden Elementen in Gebäuden und bei Komponenten im Automobilbau ist das sehr wichtig. Dazu kommt, dass das Verfahren die Kornstruktur verbessert. Weil das die Zähigkeit erhöht, ist das Material widerstandsfähiger gegenüber Abrieb und Stößen.

Das Glühen führt nicht nur dazu, dass sich das Material leichter bearbeiten und formen lässt, was sich dann auch positiv auf die Produktionsabläufe und die Qualität der Produkte auswirkt.

Stattdessen erhöht es auch die Haltbarkeit. Ist das Material zum Beispiel weniger spröde und fester, verlängert sich seine Lebensdauer, sodass es bis zu einem notwendigen Austausch deutlich länger genutzt werden kann.

Wie verbessert das Glühen die Bearbeitbarkeit von Metallen und Legierungen?

Beim Glühen verbessert sich die Duktilität, weil die Kornstruktur feiner wird. Bei CNC-Verfahren wird es dadurch einfacher, Material abzutragen. Aus diesem Grund setzen wir das Glühen nicht nur ein, um die Härte zu normalisieren, die durch vorhergehende Einwirkungen von Wärme verursacht wurde.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Der Schweißen Blog

Vielmehr können wir mit dem Verfahren auch erreichen, dass harte Metalle wie kohlenstoffreiche Stahllegierungen besser bearbeitet werden können.

Dabei kommen drei Faktoren zum Tragen:

  • Dichte: Innerhalb der Netzstrukturen versetzen sich die Atome und ebnen so den Weg für die Verformung.
  • Phasenumwandlung: Während des Glühens durchlaufen Materialien wie Stahl eine Phasenumwandlung. Das Ergebnis ist, dass sich innerhalb der Eisenmatrix eine homogene austenitische Struktur bildet.
  • Wärmeleitfähigkeit: Die Wärme, die beim Glühen durch das Material fließt, entfernt kleine Defekte und Verunreinigungen. Das erhöht die Wärmeleitfähigkeit und verbessert die Ableitung der Wärme während der Bearbeitung.

Welche Nachteile hat das Glühen?

Auch wenn das Glühen eine Reihe wichtiger Vorteile bietet, stehen ihnen einige Minuspunkte gegenüber. Ein Nachteil ist, dass es sich um ein arbeitsintensives Verfahren handelt.

Ein Material zu erhitzen, auf Temperatur zu halten und danach wieder kontrolliert abzukühlen, dauert mehrere Stunden. In Betrieben, in denen es auf möglichst kurze Durchlaufzeiten ankommt, kann das ein Problem sein.

Für einen vollständigen Glühzyklus muss das Material auf eine sehr hohe Temperatur erhitzt werden. Dieser Vorgang geht mit einem entsprechend hohen Energieverbrauch einher. Zusätzlich dazu verursachen die notwendigen Heiz- und Kühlgeräte Kosten.

Weitere Kosten können entstehen, wenn das zu glühende Material besondere Arbeitsschritte erfordert.

Daneben ist die Überhitzungsgefahr ein Nachteil. Wird das Material zu großer Hitze ausgesetzt, kann es zu Kornwachstum und Härteverlust kommen. Dadurch werden die gewünschten Eigenschaften nicht erzielt, sondern die Funktionen im Gegenteil verschlechtert.

Und nicht zuletzt eignet sich das Verfahren nicht für alle Materialien. Bei hochlegierten Metallen zum Beispiel verändern sich die mechanischen und magnetischen Eigenschaften so, dass das Glühen keinen nennenswerten Effekt hat.

Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 2 (1)

Wo wird das Glühen angewendet?

Wie schon angedeutet, ist das Glühen ein gängiges und weit verbreitetes Verfahren in verschiedenen Branchen, die mit Metallen arbeiten.

Zu den typischen Anwendungen gehören:

  • Stahlproduktion: Bei der Herstellung von Stahl wird das Glühen eingesetzt, um die Härte zu verringern. Dadurch lässt sich der Stahl besser verarbeiten und für die Fertigung von Bauteilen nutzen.
  • Bearbeitung von Kupfer und Aluminium: Durch das Glühen können Drähte, Profile und Lötteile aus Kupfer, Aluminium oder Legierungen daraus einfacher verarbeitet werden.
  • Metallbearbeitung: Geglühte Metalle können wir einfacher bearbeiten, formen und auch verschweißen. Denn durch die Wärmebehandlung sinkt die Gefahr von Rissen.
  • Elektronik: Werden Siliziumscheiben geglüht, sinkt ihre Spannung, während die Leitfähigkeit steigt. Deshalb können sie dann in elektrischen Schaltungen verbaut werden.
  • Werkzeug- und Formenbau: Werkzeuge und Formen lassen sich mit geglühten Materialien nicht nur präziser herstellen, sondern halten auch länger.
  • Glasindustrie: Die Wärmebehandlung von Glas verringert die Bruchgefahr und erhöht die Beständigkeit gegenüber Temperaturschwankungen. Außerdem reduziert das Glühen innere Spannungen. Fenster, Behälter und andere Erzeugnisse aus Glas erhalten so die notwendige Stabilität.

Generell zielt das Glühen in erster Linie darauf ab, Materialien besser verarbeitbar zu machen. Das Verfahren erhöht die plastische Formbarkeit, verringert innere Spannungen und verändert die Kornstruktur.

In der Folge neigen die Materialien weniger zu Rissen und Brüchen, sind stabiler und halten länger.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Regeln und Normen in der Fügetechnik

Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:

Anzeige

Thema: Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 2

-

Übersicht:
Fachartikel
Verzeichnis
Über uns


schweißen99

Autoren Profil:
FB/Twitter

Veröffentlicht von

Autoren Profil:

Rudolf Bozart, - Schweißfachingenieur, Gerd Meinken - Schweißwerkmeister, Thorsten Kamps, Schweißer, Coautor und Buchautor und Christian Gülcan Unternehmer und Betreiber der Webseite, 2 Jahre Vertrieb von Dienstleistungen in Mechanik- und Mettallbearbeitung, schreiben hier alles Wissenswerte zu Schweißtechniken und Schweißverfahren, geben Tipps und Anleitungen zu Berufen, Schweißgeräten, Materialkunde und Weiterbildung.

Kommentar verfassen