Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 1

Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 1 – Ob Metalle oder Legierungen: Durch Glühen können die Eigenschaften des Materials verändert und seine Funktionalität verbessert werden. So wird das Material leichter, zäher, härter und lässt sich besser weiterverarbeiten. Kein Wunder also, dass das Glühen ein weit verbreitetes Verfahren ist.

Ratgeber rund ums Glühen zur Materialverbesserung, Teil 1

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Doch was genau ist Glühen? Wie funktioniert diese Wärmebehandlung? Und welche Vor- und Nachteile hat das Verfahren?

Hier ist unser ausführlicher Ratgeber rund ums Glühen zur Materialhärtung!

Glühen – was ist das?

Beim Glühen handelt es sich um eine Wärmebehandlung, die angewendet wird, um den physikalischen Zustand und die Eigenschaften von Materialien zu verändern. Das Verfahren wird in erster Linie bei Metallen, aber zum Beispiel auch bei Glas genutzt.

Durch den Glühprozess wird das Material flexibler und neigt unter den Streckgrenzen weniger zu Brüchen. Andersherum verbessern sich die Zähigkeit und die Festigkeit.

Dadurch können die Materialien in verschiedenen industriellen Anwendungen eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Verstärkung von Stahl ist das Glühen gleichbedeutend mit dem Schmieden.

Beim Glühen wird das Material so weit erhitzt, dass die Rekristallisationstemperatur überschritten, der Schmelzpunkt aber noch nicht erreicht ist. In diesem Temperaturbereich verändert sich die Mikrostruktur des Materials.

Innere Spannungen nehmen ab und die verbesserte Kornstruktur beugt Rissen und Brüchen vor. Neben einer erhöhten Duktilität werden Fehler entfernt, die bei vorhergehenden Arbeitsschritten wie dem Gießen oder dem Schweißen entstanden sein können.

Unterm Strich zielt das Glühen darauf ab, dass das Material leichter verarbeitet werden kann und seine Lebensdauer steigt.

Wie funktioniert das Glühen?

Die Wärmebehandlung gliedert sich im Wesentlichen in drei Phasen. In der ersten Phase wird das Material erhitzt. Je nach Rekristallisationstemperatur des Materials liegt die Temperatur, auf die das Material erhitzt wird, in einem Bereich zwischen 400 und 900 Grad Celsius.

Die Erwärmung bewirkt, dass die Atome im Kristallgitter wandern und sich bestehende Vernetzungen innerhalb des Materials lösen. Weil sich die Atome verlagern, nehmen innere Spannungen ab.

Gleichzeitig entstehen die Voraussetzungen für ein späteres Kornwachstum.

Die zweite Phase ist die Rekristallisationsstufe. Hier wird das Material eine bestimmte Zeit lang auf der Temperatur gehalten, damit die Bewegungen der Atome ausreichen, um neue Körner wachsen zu lassen. Außerdem bewirkt diese Phase, dass sich weitere Vernetzungen auflösen und das Material dadurch erweicht.

Wie lange das Material auf Temperatur gehalten werden muss, ist je nach Material und dessen mechanischen Eigenschaften verschieden. Der Zeitrahmen kann von 30 Minuten bis hin zu mehreren Stunden andauern.

Die dritte und letzte Phase ist das Abkühlen. Nun wird das Material stufenweise wieder abgekühlt, üblicherweise geschieht das in einem offenen Ofen. Das Abkühlen verbessert die plastische Formbarkeit und die Festigkeit des Materials.

Wichtig ist aber die richtige Geschwindigkeit:

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Denn beim Abkühlen bilden sich Körner, die nach und nach größer werden. Eine langsame Abkühlgeschwindigkeit stellt sicher, dass die gewünschten Materialeigenschaften erhalten bleiben. Kühlt das Material hingegen zu schnell ab, kann es spröde werden.

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Welche Arten des Glühens werden voneinander unterschieden?

Je nach Verfahren und beabsichtigtem Ergebnis werden beim Glühen verschiedene Arten voneinander unterschieden. So gibt es zunächst einmal das unvollständige Glühen. Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, wird das Material dabei nicht bis zu der Temperatur erhitzt, bei der die vollständige Rekristallisation einsetzt.

Die Absicht dahinter ist, das Material etwas zu erweichen, ohne seine Struktur vollständig zu verändern.

Angewendet wird die Methode vor allem dann, wenn ein Material nur ein gewisses Maß an Flexibilität braucht, eine komplette Festkörperumwandlung aber nicht notwendig ist.

Im Unterschied dazu wird das Material beim vollständigen Glühen so weit erhitzt, dass die Rekristallisationstemperatur überschritten wird und sich in der Folge die Mikrostruktur verändert.

Das geglühte Material wird weicher und die inneren Spannungen nehmen ab. Daneben gibt es das Rekristallisationsglühen. Dieses Verfahren zielt auf das Kornwachstum ab, das einsetzt, wenn das Material auf eine Temperatur erhitzt wird, die eine Rekristallisation auslöst.

Die neue Struktur erhöht die Duktilität und verbessert die Festigkeit. Außerdem ist die Mikrostruktur feiner, wodurch das Material leichter verarbeitet werden kann.

Diese drei Arten des Glühens werden durch Varianten ergänzt, die durch die metallurgischen Unterschiede bei der Rekristallisation und das Ergebnis der geglühten Oberflächen voneinander abweichen:

  • Das Diffusionsglühen zielt darauf ab, die Homogenität des Materials mithilfe von atomarer Diffusion zu verbessern. Es trägt dazu bei, Entmischungen in Legierungen zu entfernen. Dadurch wird das Material nicht nur gleichmäßiger, sondern erhält auch eine feinere Struktur.
  • Beim Spannungsarmglühen geht es darum, innere Spannungen zu mindern, die durch das Schweißen, die maschinelle Bearbeitung und andere Fertigungsschritte verursacht wurden. Die Struktur des Materials verändert sich dabei kaum. Trotzdem beugt die Entlastung von unerwünschten Spannungen Rissen und Verformungen vor.
  • Das Normalisierungsglühen wird bei Stahl angewendet. Dabei wird der Stahl auf eine bestimmte Temperatur erhitzt und kühlt anschließend an der Luft aus. Im Ergebnis wird die Kornstruktur feiner und der Stahl gleichmäßiger, zäher und fester.
  • Durch das isothermische Glühen kann sich die Mikrostruktur des Materials gleichmäßig trennen und neu anordnen. Dafür wird Material über einen langen Zeitraum auf die benötigte Temperatur erhitzt und anschließend langsam abgekühlt. Das Verfahren kommt überwiegend bei Stahllegierungen zum Einsatz.

Je nachdem, welche Eigenschaften der Werkstoff haben soll, können die passenden Glühverfahren angewendet und auch miteinander kombiniert werden.

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Rudolf Bozart, - Schweißfachingenieur, Gerd Meinken - Schweißwerkmeister, Thorsten Kamps, Schweißer, Coautor und Buchautor und Christian Gülcan Unternehmer und Betreiber der Webseite, 2 Jahre Vertrieb von Dienstleistungen in Mechanik- und Mettallbearbeitung, schreiben hier alles Wissenswerte zu Schweißtechniken und Schweißverfahren, geben Tipps und Anleitungen zu Berufen, Schweißgeräten, Materialkunde und Weiterbildung.

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